Sommerurlaub 2025: Einmal runter und wieder hoch
Einleitung: Ein gestaffelter Start
Unsere Sommertour 2025 begann diesmal ein bisschen anders. Tabea ist zwei Tage eher mit dem Zug losgefahren, um über den Lipno-Stausee und Linz radelnd nach Graz zu kommen. Ich musste noch arbeiten und bin deshalb am Samstagmorgen mit dem wunderbaren Direktzug EC 279 “Smetana” von Dresden nach Graz gefahren. Das Fahrrad komfortabel verstaut, der Speisewagen geöffnet — eine sehr zivilisierte Anreise.
Auftakt in der Steiermark
Etappe 1: Von Graz über die Hundertwasserkirche zur Hebalm
Fakten-Box:
- Datum: 01. Juni 2025
- Strecke: Graz → Piber → Hebalm
- Distanz: ca. 75 km
- Höhenmeter bergauf: ca. 1.800 m
Nach einer Nacht im Hotel in Graz und einem ausgiebigen Frühstück starteten wir am Sonntagmorgen unsere Tour. Zuerst ging es relativ zielstrebig an der Mur entlang aus der Stadt hinaus nach Süden. Wir folgten dabei dem bestens ausgebauten Murradweg (R2), der hier auch Teil der EuroVelo 14 ist.
Bei Feldkirchen verließen wir das Murtal und bogen nach Westen ab, wo wir einer ganzen Kaskade von regionalen Radwegen wie dem R14 Kainachtalradweg folgten. Unser erstes großes Zwischenziel war die von Friedensreich Hundertwasser gestaltete St. Barbara Kirche in Bärnbach. Ein wirklich beeindruckendes und farbenfrohes Bauwerk. Danach ging es weiter zum berühmten Bundesgestüt Piber, der Heimat der Lipizzaner.
Der lange Anstieg in Richtung Hebalm stand als Nächstes an. Eine Rast am idyllischen Packer Stausee gab uns die nötige Energie für das Finale. Das letzte Stück vom Stausee hoch war dann ganz schön steil. Kurz vor der Hebalmstraße, hinter einem Ortsteil namens Packwinkel-Schattenseite, habe ich mich dann auch prompt kurz verfranzt und wir mussten ein kleines Stück durch den Wald schieben, um wieder auf die richtige Route zu kommen.
Oben auf dem Campingplatz angekommen: keiner da. Also haben wir unser Zelt einfach aufgebaut und sind in das auf der anderen Straßenseite liegende Restaurant gegangen. Die Wirtsleute im Hebalm Almhaus waren total freundlich. Der Betreiber des Campingplatzes, so erfuhren wir, kommt einfach ab und zu vorbei und kassiert ab — herrlich unkompliziert. Und tatsächlich, während ich noch redete, stand er auch schon bei Tabea am Zelt.
Den Abend verbrachten wir in der Gaststube des Almhauses, wo wir mit dem Stammtisch ins Gespräch kamen und einen fantastischen Abend verbrachten, der seeeehr spät endete.
Kärntner Seen und ein Brenner, der keiner ist
Etappe 2: Von der Hebalm zum Wörthersee
Fakten-Box:
- Datum: 02. Juni 2025
- Strecke: Hebalm – Völkermarkt – Klagenfurt
- Distanz: ca. 110 km
- Höhenmeter bergauf: ca. 700 m
- Höhenmeter bergab: ca. 2.550 m (!)
Das Aufwachen im Gebirge auf 1380 Metern Höhe war frisch, aber es gab ja wieder warmen Porridge und Kaffee vom Campingkocher — das hatten wir vermisst! Bevor wir aufbrachen, schwatzten wir noch mit dem einzigen anderen Menschen auf dem Zeltplatz: Hans, der mit seinem 60 Jahre alten Traktor samt Anhänger durch Österreich reist. “Ich bin immer der erste in der Autokolonne”, sagte er verschmitzt und erzählte, dass er am Berg nur 7 km/h schafft. Wir stellten amüsiert fest, dass wir mit unseren Rädern kaum langsamer sind als er!
Dann begann die Belohnung für den Vortag: eine 20 Kilometer lange Abfahrt hinunter nach Wolfsberg, auf der ich mit 68,2 km/h meinen Geschwindigkeitsrekord für die gesamte Tour aufstellen sollte. Im Tal angekommen, empfing uns bei inzwischen 32 Grad eine irre Hitze.
Wir folgten dem Lavantradweg (R10) bis Sankt Paul, bevor der Anstieg im Granitztal begann, parallel zum Griffener Berg. Der Stammtisch am Vorabend hatte ihn den “Griffener Brenner” genannt — eine sensationelle Bezeichnung für diese steile Rampe. Von oben ging es dann auf einem sehr schönen Radweg hinunter zum Völkermarkter Stausee, wo eine herrliche Bade-Pause die überhitzten Muskeln kühlte.
Die letzten 20 Kilometer bis Klagenfurt auf dem Drauradweg (R1) waren eine echte Quälerei. Zur Hitze kam noch ein starker Gegenwind, während wir an den Schallschutzwänden der neuen Koralmbahn (früher Drautalbahn) entlangfuhren.
Am Ortseingang von Klagenfurt musste Tabea unbedingt ein Foto vom Schild haben — sie hat schließlich ihre gesamte Kindheit auf der Klagenfurter Straße verbracht! Da es schon spät war, sind wir direkt zum Camping am Wörthersee durchgerauscht. Nach 110 Kilometern im Sattel waren wir heilfroh, endlich da zu sein. Zur Feier von Tabeas letztem Tag mit 48 gab es zum Abendessen im Restaurant Sunset zusätzlich zur Apfelschorle noch einen Aperol.
Vom See zur Wand
Etappe 3: Tabeas Geburtstag am Wurzenpass
Fakten-Box:
- Datum: 03. Juni 2025
- Strecke: Klagenfurt – Villach – Wurzenpass – Kranjska Gora
- Distanz: ca. 70 km
- Höhenmeter bergauf: ca. 1.100 m
Tabeas Geburtstag fand auch dieses Jahr wieder auf dem Rad statt. Nach einem kleinen Frühstück am Zelt — sogar mit Geburtstagskerze und Blümchen — starteten wir bei strahlendem Sonnenschein unsere Tour am Wörthersee entlang. Das türkise Wasser vor dem dramatischen Gewitterhimmel sah grandios aus.
Die Tour war natürlich ein bisschen auf den Geburtstag zugeschnitten. Unsere erste kleine Rast machten wir in Maria Wörth, wo wir uns die berühmte Kirche ansahen. In Velden gab es dann einen sehr schönen Espresso — natürlich mit Blick auf das berühmte Schlosshotel Velden, der Kulisse von “Ein Schloss am Wörthersee”.
Bei leichtem Regen folgten wir dem Drauradweg bis nach Villach. Dort haben wir nochmal ordentlich gegessen — einschließlich einer Geburtstagsüberraschung für Tabea, quasi ihr Tiramisu des Tages schon am Mittag! Das war auch nötig, denn nun wartete der erste wirkliche Pass auf uns. In Villach den richtigen Radweg an der Friedensbrücke zu finden, war ziemlich umständlich und verschachtelt, aber schließlich waren wir auf dem Weg nach Süden.
Pünktlich zum Einstieg in den Wurzenpass bei Riegersdorf begann es wieder zu regnen. In der Beschreibung auf quaeldich.de
steht dazu der wunderbare Satz: “Gleich zu Beginn wird in einer Doppelkehre klar, wohin die Reise geht: nämlich steil bergauf.” Und genau so ist es.
Unten ging es noch, aber diese Mega-Rampe, die dann weiter oben kommt — laut Profil ist das ein fast ein Kilometer langes, gerades Stück mit durchschnittlich 17 % Steigung — da steht der Wurzenpass wirklich wie eine Wand vor dir. Serpentinen lassen sich ja gut fahren, aber so eine gerade, brutale Rampe ist einfach etwas anderes. Wir waren beide echt am Limit, so eine Steigung sind wir noch nie mit Gepäck gefahren. Zur Hälfte des Anstiegs hörte der Regen zum Glück auf, die Sonne kam raus und die Straße dampfte schön. Oben angekommen waren wir beide völlig fertig, ich aber wohl noch ein Stück mehr als Tabea.
Nach einem kurzen Besuch bei dem alten Panzer, der am Scheitelpunkt als Denkmal steht, machten wir uns auf die schöne Abfahrt nach Slowenien. Kurz vor Kranjska Gora gibt es in einer Kehre einen Aussichtspunkt mit einem tollen Blick über den Ort und auf das Skisprungareal.
Ich hatte mir natürlich noch etwas Besonderes überlegt: Statt über die Hauptstraße, sind wir direkt nach dem Aussichtspunkt auf einen Feldweg abgebogen, der uns über eine wunderschöne Wiese und durch den Wald führte. Es war ein abenteuerlicher, aber herrlicher Weg, der uns von oben direkt zum Natura Eco Camp brachte — ein traumhaft im Wald gelegener Platz, wo wir herzlich empfangen wurden. Einziger Wermutstropfen: Mit 25 Euro pro Person war es der teuerste Campingplatz der gesamten Reise.
Zur Feier des Tages waren wir abends noch in Kranjska Gora im Restavracija Kotnik essen und haben den Abend bei einer Pizza ausklingen lassen.
Im Herzen der Julischen Alpen
Etappe 4: Über den Vršič-Pass ins Soča-Tal
Fakten-Box:
- Datum: 04. Juni 2025
- Strecke: Kranjska Gora – Vršič-Pass – Soča-Quelle – Trenta
- Distanz: ca. 50 km
- Höhenmeter bergauf: ca. 1.100 m
- Höhenmeter bergab: ca. 1.350 m
Am nächsten Morgen sind wir von unserem Zeltplatz bei Kranjska Gora direkt in den Vršič-Pass eingestiegen. Unten im Tal stand zwar ein Schild, dass der Pass gesperrt sei, aber wir hatten am Vortag jemanden getroffen, der oben war, und sind das Risiko eingegangen.
Zuerst ging es durch ein herrliches Tal immer weiter nach oben. Kurz vor der Ruska kapelica, einer kleinen Holzkapelle, die an russische Kriegsgefangene erinnert, die die Passstraße erbaut haben, begannen die echten Serpentinen. Und das ist schon ein sehr, sehr besonderer Pass. Vor allem nach der Erfahrung mit der “Wand” am Wurzenpass war dieser Anstieg deutlich angenehmer zu fahren. Die Kopfsteinpflaster-Kehren sind mit dem Tourenrad und Gepäck kein Problem und geben dem Ganzen einen einzigartigen Rhythmus.
Wir hatten relativ wenig Verkehr und trafen nur ein paar andere Rennradfahrer. An der Koča na Gozdu haben wir den obligatorischen Espresso getrunken, ein Stück Strudel gegessen und kurz mit der Betreiberin geschnackt, bevor wir die letzten Serpentinen in Angriff nahmen. Immer wieder haben wir angehalten, zurückgeschaut und die großartige Aussicht genossen. Am letzten Wanderparkplatz stand dann nochmal ein Sperrschild, das aber offensichtlich nur für Autos galt.
Also fuhren wir die letzten drei Kehren hoch und standen plötzlich oben auf dem Pass. Die Straße war auf einem kurzen Stück aufgerissen, aber die Bauarbeiter waren total freundlich und wir konnten die Räder einfach vorbeitragen. Wir hatten den Vršič mit unseren Reiserädern bezwungen – ein total tolles Erlebnis! Nach einer längeren Pause am Aussichtspunkt mit Blick auf das “Felsenfenster” des Prisojnik und das berühmte “Heidenmädchen” (Ajdovska deklica) starteten wir in die lange Talabfahrt.
Da der Pass auch von der anderen Seite gesperrt war, gestaltete sich die Abfahrt völlig entspannt und ruhig. Wir kamen an der Abzweigung zur Soča-Quelle (Izvir Soče) an und überlegten kurz. Zwei andere Radreisende kamen uns entgegen und meinten: “Den einen Kilometer müsst ihr machen, es ist super!” Also kurbelten wir die 100 Höhenmeter zu dem kleinen Restaurant hoch, stellten die Räder ab und liefen zur Quelle. Es ist dermaßen beeindruckend: Man hört die Soča schon rauschen und denkt, das ist ja schon ein riesen Fluss, wo kommt das Wasser her, und dann steht man plötzlich an diesem Becken, wo das Wasser einfach als reißender Fluss aus dem Felsen kommt. Der Zugang ist abenteuerlich und man sollte trittsicher sein, aber es lohnt sich absolut.
Danach sind wir weiter das Trenta-Tal hinabgerollt. In Trenta machten wir noch einen kurzen Einkaufsstopp und erreichten schließlich unser Ziel: den Campingplatz Kamp Jelinc. Ein wunderbarer Zeltplatz direkt an der Soča. Die Zeltwiesen sind in der Vorsaison meist frei, und so schlugen wir als Einzige unser Zelt drei Meter vom Flussufer auf. Im Restaurant des familiengeführten Betriebs gab es zwei Gerichte zur Auswahl: Kartoffelsalat oder Bohnensuppe. Wir haben beides genommen und einen herrlichen Abend verbracht. Dieser Campingplatz ist eine absolute Erholung — wunderschön gelegen, ganz freundliche Leute und das Panorama der umliegenden Berge im Abendhimmel war einfach mega.
Raus aus den Bergen
Etappe 5: Von der Soča an die Adria
Fakten-Box:
- Datum: 05. Juni 2025
- Strecke: Trenta – Nova Gorica – Isola di Volpera
- Distanz: ca. 130 km
- Höhenmeter bergauf: ca. 750 m
- Höhenmeter bergab: ca. 1.700 m
Am nächsten Morgen sind wir von unserem Campingplatz weiter das Soča-Tal hinabgefahren. Immer wieder hielten wir an, liefen auf eine der vielen kleinen Brücken und schauten auf die Stromschnellen und Verengungen des smaragdgrünen Flusses. Bei Krsovec wechselten wir auf die östliche Seite des Tals und folgten einem Schotter- und Waldweg. Das war eine sehr gute Entscheidung: Wir konnten ganz entspannt dahinradeln und hatten einen wunderschönen Blick zurück auf die Berge.
Bei Volič wechselten wir wieder auf die Hauptstraße und fuhren weiter nach Süden, bis wir in Kobarid auf den Radweg “BiMob” trafen. Da wir an diesem Tag unbedingt noch die Adria erreichen wollten, machten wir nur wenige Pausen und fuhren ziemlich zügig, aber entspannt immer weiter. Besonders schön wurde die Strecke hinter Plave, wo das Tal nochmal richtig eng wird und man auf einem wunderschönen Radweg oberhalb des Flusses entlangfährt. Das war wirklich ganz toll.
In Nova Gorica ereilte uns dann die nächste Panne, und zwar genau an der Brücke am Solkan Kajak Center. Der Hinterreifen von Tabea war platt. Wir haben dort nicht nur den Schlauch, sondern vorsorglich auch gleich den Mantel gewechselt.
Nova Gorica haben wir uns deshalb nicht weiter angesehen, sondern sind direkt über die Grenze auf die italienische Seite nach Gorizia gefahren. Dort gab es den ersten italienischen Espresso dieses Jahres! Wir legten unsere Pause im Caffè Posta ein, einem wunderbaren kleinen Café direkt an der Piazza della Vittoria. Dort saßen wir sehr schön, und die ersten Jasminhecken begannen wieder zu duften — genau das, was wir auf Reisen suchen.
Es war schon spät, und wir hatten noch ein ganzes Stück vor uns. Also haben wir die schnellste Route nach Süden gewählt. Es war nochmal anstrengend, dieses Stück durchzuziehen. Zwischen Ronchi dei Legionari und Terranova überquerten wir den Fluss, der hier nun Isonzo heißt, und bogen in Fossalon ab in Richtung Aquileia. Von dort waren es nur noch wenige Kilometer zu unserem absoluten Traum-Campingplatz, dem Camping Isola di Volpera, der idyllisch in der Lagune von Grado liegt.
Ruhetag am Meer: Hochzeitstag in Grado
Fakten-Box:
- Datum: 06. Juni 2025
- Ort: Grado
- Aktivität: Ruhetag & Hochzeitstag feiern
Der sechste Juni war nicht nur ein wohlverdienter Ruhetag, sondern auch der Jahrestag unserer kirchlichen Trauung. Diesen besonderen Tag haben wir in Grado verbracht. Wir haben uns die historische Altstadt angesehen, ich war beim Friseur, Tabea war shoppen, und generell haben wir einfach mal wieder die Adria genossen. Wir waren am öffentlichen Strand Costa Azzurra baden und sind einfach ein bisschen durch die Gassen geschlendert.
Am Abend haben wir uns dann ein fantastisches Essen gegönnt, um unseren Hochzeitstag zu feiern: im Ristorante Bar L’Approdo. Die Küche dort war sehr sehr gut. Dort ließen wir den Abend ausklingen, bevor wir zum Campingplatz zurückfuhren, um uns auf den nächsten Tag vorzubereiten.
Zurück ins Landesinnere
Etappe 6: Von der Lagune an den Fuß der Berge
Fakten-Box:
- Datum: 07. Juni 2025
- Strecke: Isola di Volpera – Borgo di Mezzo
- Distanz: ca. 100 km
- Höhenmeter bergauf: ca. 850 m
Von vornherein war klar, dass dieser Tag hart werden würde, denn ich wollte unbedingt schon wieder den Fuß der Dolomiten erreichen. Den Abstecher nach Palmanova, dessen sternförmiger Grundriss auf der Karte so sensationell aussieht, mussten wir aus Zeitgründen leider auslassen. Stattdessen wählten wir die Route nach Westen und bogen in Cervignano del Friuli ab — zu einer absoluten Entdeckung: Marano Lagunare. Diese Stadt hat uns richtig gut gefallen! Sie hat eine große Geschichte, und Hinweisschilder deuten darauf hin, dass sie einst wichtiger war als Venedig. Dort haben wir ein wunderbares zweites Frühstück genossen. Eine ganz, ganz tolle Stadt.
Leider mussten wir weiter. Ich hatte auf der Karte das Tal des Tagliamento als Route nach Norden auserkoren. Auf der Karte sah das super schön aus, in der Realität war es aber eine ziemlich zähe Schotterstrecke hinterm Deich, von der aus man vom mäandernden Flussbett kaum etwas sah. Wir sind eigentlich sinnlos geheizt, um irgendwie voranzukommen, und die Moral war ein bisschen am Boden.
Nach einer nur kurzen Rast in Spilimbergo erreichten wir schließlich Pinzano al Tagliamento. Und hier wurde es plötzlich wieder spektakulär. Man ist wirklich am Fuß der Berge. Die Abfahrt hinunter zur Brücke über den Tagliamento ist atemberaubend — der Blick nach Norden und Süden in das weite, wilde Flussbett ist einfach großartig.
Ich hatte auf der Karte einen kleinen Campingplatz mit Restaurant ausfindig gemacht, den wir unbedingt erreichen mussten: das Al Vecchio Traghetto “La Tabina”. Wie immer gab es eine kleine Sonderstrecke zum Ziel: Wir sind über einen kleinen Trampelpfad direkt zum Flussbett abgestiegen. Der Campingplatz selbst ist eher ein großes Freizeitgelände, aber über eine kleine Brücke über den Fluss Rio Mòrdaro erreicht man eine kleine, feine Zeltwiese. Kaum stand das Zelt, begann es wieder zu regnen. Nach der obligatorischen Dusche sind wir dann ins “Al Vecchio Traghetto” und haben dort wirklich wunderbar gegessen. Ein günstiger Zeltplatz in toller Lage — das hat wirklich gefetzt. Wir waren wieder am Fuß der Dolomiten.
Die erste Dolomiten-Prüfung
Etappe 7: Hinauf zur Forcella di Pala Barzana
Fakten-Box:
- Datum: 08. Juni 2025 (ein Sonntag)
- Strecke: Borgo di Mezzo – Clauzetto – Forcella di Pala Barzana – Barcis
- Distanz: ca. 75 km
- Höhenmeter bergauf: ca. 1.900 m
Jetzt wurde es ernst. Alles andere war nur Vorspiel, jetzt kam das Stück, auf das ich mich am meisten gefreut hatte: einmal quer durch das Herz der Dolomiten. Und heute ging es los.
Am frühen Sonntagmorgen sind wir von unserem Campingplatz zunächst wieder hoch nach Borgo di Mezzo — den Trampelpfad vom Vorabend wollte ich den Rädern und der Stimmung nicht noch einmal zumuten. Wieder runter zur Brücke, wieder hoch nach Pinzano al Tagliamento, schon hatten wir die ersten Höhenmeter zum warmwerden in den Beinen. Von dort ging es direkt nach Norden. Nach einer kurzen Rast an der wunderschönen Spiaggia sulla Val d’Arzino begann bei Anduins die erste richtige Bergprüfung des Tages.
Hier erlebten wir eine wunderbare Begegnung: Eine Gruppe junger Rennradfahrys überholte uns, angetrieben von ihrem Trainer in einem Van, der ihnen Kommandos zurief. Sie gaben uns anerkennend den Daumen hoch, als sie sahen, wie wir uns mit vollem Gepäck die gleichen Serpentinen hochschraubten. Auch die Trainer waren sehr annerkennend — eine tolle Szene.
Oben hielten wir nur kurz und fuhren direkt weiter nach Clauzetto. Und das war ein absolut traumhafter Moment. Als wir mittags im Ort ankamen, begannen die Glocken der Chiesa Parrocchiale di San Giacomo Apostolo zu läuten. Wir machten eine kleine Rast, hörten dem Geläut zu und schauten hinunter in die weite Ebene des Friaul. Man nennt Clauzetto nicht umsonst den "Balcone del Friuli" (Balkon des Friaul) — wir können das absolut bestätigen. Großartig!
Weiter ging es über Pradis di Sotto auf der Strada Provinciale 57. Von den vielen “Grotti” am Wegesrand haben wir leider nicht so viel gesehen. Das sind natürliche Höhlen oder Felsenkeller, die in dieser Gegend oft als Weinkeller genutzt werden. Mitten auf der Strecke war die Straße dann mal wieder gesperrt, aber wir haben gelernt, solche Schilder in Italien eher kreativ auszulegen. Wir sind durchgekommen, mussten nur einmal unter einem Bagger durchfahren. Unten am Stausee des Fiume Meduna in einer kleinen Bar, die eigentlich schon schließen wollte, bekamen wir trotzdem noch ein paar leckere Sandwiches, bevor es in den nächsten Anstieg ging.
Über die Via Diga di Ponte Racli erreichten wir Borgo Romanis und bogen nach Westen ab, um einen spektakulären Pass in Angriff zu nehmen, den ich über die wunderbare Webseite rennradler.it
entdeckt hatte: die Forcella di Pala Barzana. Die Straße ist in einem schlechten Zustand und deshalb offiziell gesperrt. Kurz hinter dem Pass ist sie sogar seit Jahren weggebrochen. Aber genau das ist der Vorteil des Fahrrads: Wo kein Auto und kein Motorrad mehr durchkommt, findet sich für uns immer ein Weg.
Nach der abenteuerlichen Abfahrt erreichten wir schließlich den Lago di Barcis. Statt zu einem offiziellen Campingplatz zu fahren, entschieden wir uns für die Area Sosta Camper direkt am See. Wir aßen eine schnelle Pizza in Barcis in der Pizzeria Al Fogher in der Nähe der Kirche, stellten dann das Zelt auf und wuschen uns den Schweiß des Tages bei einem abenteuerlichen Bad im eiskalten See vom Körper.
Die Königsetappe
Etappe 8: Die Dachterrasse des Friaul
Fakten-Box:
- Datum: 09. Juni 2025
- Strecke: Barcis – Piancavallo – Casera Col delle Palse – Farra d’Alpago
- Distanz: ca. 70 km
- Höhenmeter bergauf: ca. 2.200 m
Tja, der nächste Tag — das war das schönste Stück Radweg, was wir jemals in unserem Leben bisher gefahren sind. Wir sind auf der für den Giro d’Italia bekannten Strecke nach Piancavallo hochgefahren, und man kann nachvollziehen, warum es ein Klassiker ist. Der Anstieg ist anspruchsvoll, aber einfach traumhaft zu fahren. In Piancavallo, einem in der Nebensaison fast ausgestorbenen Skiort, machten wir eine längere Rast im L’Angolo di Jasmine. Wir waren die einzigen Touristen zwischen Bauarbeitern und anderen Landschaftsgärtnern und haben dort ganz wunderbar zu Mittag gegessen.
Und dann kam das Stück, das eigentlich unbeschreiblich ist. Die meisten fahren von Piancavallo wieder die Hauptstraße runter. Wir aber sind weiter auf einer kleinen Bergstraße, an der natürlich das obligatorische “Durchfahrt verboten”-Schild stand. Was uns danach begegnete, dafür finde ich kaum Worte. Wenn Clauzetto der “Balkon des Friaul” war, dann war das hier die Dachterrasse.
Man steht auf dieser Straße und blickt hunderte von Höhenmetern senkrecht nach unten auf die Ebene, sieht die Aviano Air Base wie Spielzeug daliegen. Wahnsinn. Unsere einzige menschliche Begegnung auf dieser gesamten Höhenstraße war ein Mann mit einem Handkarren und einem Hund, mit dem wir uns lange und wunderbar unterhalten haben.
Wir fuhren weiter über den Pass Casera Col delle Palse. Kurz danach mussten wir einfach nochmal anhalten, weil der Ausblick so sensationell war. Und dann, als man dachte, es könnte nicht mehr schöner werden, wurde es noch schöner. Wir bogen auf die Strada forestale de la Cansiglio ab, eine wirklich alte, einsame Forststraße, die sich ins Tal schlängelt. Ich kann die Schönheit, die Ruhe und Sanftheit dieser Strecke kaum beschreiben.
Nach dieser unfassbaren Abfahrt erreichten wir die Hochebene Pian del Cansiglio und fuhren weiter bis Spert. Und kurz danach kam die steilste Abfahrt der gesamten Tour hinunter nach Farra d’Alpago — unglaublich, wie steil es dort nach unten ging.
Unten angekommen, landeten wir auf dem Campingplatz, den ich mir vorher rausgesucht hatte: Camping Sarathei. Ein absolutes Wind- und Kitesurfer-Paradies, voller VW-Busse. Die Zeltwiese direkt am Lago di Santa Croce hatten wir aber ganz für uns allein. Nach einem kurzen Bad im See haben wir den Abend im Ristorante Pizzeria Sarathei ausklingen lassen. Das Essen war exzellent. Dieser Ort war definitiv eine Entdeckung und viel schöner, als ich es mir vorgestellt hatte.
Mitten in den Dolomiten
Etappe 9: Eine Nacht auf dem Passo Cibiana
Fakten-Box:
- Datum: 10. Juni 2025
- Strecke: Farra d’Alpago – Pieve di Cadore – Passo Cibiana
- Distanz: ca. 80 km
- Höhenmeter bergauf: ca. 2.100 m
Der nächste Tag war eine Art Überführungsetappe, die uns dem eigentlichen Herzstück der Tour näherbringen sollte. Nach einem Frühstück am See sind wir deutlich nach Norden gefahren. Wir folgten über weite Strecken der Strada Statale 51 di Alemagna – der “Straße Deutschlands”, wie sie historisch genannt wird, da sie eine wichtige Verbindung nach Norden war. Es ging die ganze Zeit gemächlich, aber stetig bergauf.
Unterwegs machten wir eine Rast in einer total niedlichen kleinen Bar in Codissago, ein perfekter kleiner Stopp am Wegesrand. In Pieve di Cadore war dann klar, dass es von nun an nur noch steil nach oben geht. Wir machten eine ordentliche Rast in der Bar Birraria Calvi, tranken einen wunderbaren Espresso und aßen eine Kleinigkeit.
Dann begann der eigentliche Anstieg zum Passo Cibiana. Und dieser Pass war eine absolute Entdeckung! Damit hatte ich nicht gerechnet. Traumhaft schön, super zu fahren — es war eine Wonne, dort hochzukurbeln. Oben auf der Passhöhe angekommen, waren wir komplett allein. Das Rifugio Remauro hatte an diesem Tag geschlossen. Und während wir dort so saßen, entdeckte ich ein kleines Hinweisschild: “Baita Deona – Ristorante – Camere”. Wir fuhren die paar Meter hin und fragten, ob es ein Zimmer gibt. Und tatsächlich, es gab ein freies Zimmer! Es war so schön und einsam dort oben, dass wir sofort sagten: “Ach komm, wir fahren nicht mehr runter ins Tal, wir bleiben hier.”
Es wurde einer der schönsten Abende überhaupt. Es war so ruhig, fast niemand war da. Wir trafen noch zwei andere Radreisende, was immer wieder schön ist, um sich auszutauschen. Ich nutzte die Zeit für ein bisschen Rad-Wartung, während wir auf das Abendessen warteten. Im Restaurant stellten wir fest, dass die Chefin eine ganze Zeit in Deutschland gelebt hatte, bevor sie hierherzog. Wir haben uns wunderbar unterhalten. Diese Unterkunft, die Baita Deona, kann ich nur wärmstens empfehlen. Ein absoluter Traum. Wir waren unendlich froh, diese Nacht dort oben verbracht zu haben.
Im Angesicht der Marmolada
Etappe 10: Gerettet an der Pass-Straße
Fakten-Box:
- Datum: 11. Juni 2025
- Strecke: Passo Cibiana – Forno di Zoldo – Colle Santa Lucia – Malga Ciapela
- Distanz: ca. 55 km
- Höhenmeter bergauf: ca. 1.700 m
Ungewöhnlicherweise begann dieser Tag mal mit einer Abfahrt — ein seltenes und umso schöneres Vergnügen am frühen Morgen. Wir rollten vom Passo Cibiana hinunter nach Forno di Zoldo. Dort stellten wir fest, dass der Campingplatz im Tal zwar existiert, aber nichts hätte die wunderbare Nacht oben auf dem Pass toppen können.
Von Forno di Zoldo ging es weiter durch das Val di Zoldo über Dont nach Selva di Cadore. Und hier änderte sich das Gefühl schlagartig: Plötzlich waren wir mittendrin in den Dolomiten. Rundherum die typischen, schroffen Felsformationen — ein einziger Traum. In Selva di Cadore standen wir vor der Entscheidung: die schnelle Hauptstraße SP20 direkt hinunter nach Caprile nehmen oder den kleinen, feinen Abstecher über den Colle Santa Lucia machen?
Der Abstecher hat sich definitiv gelohnt. Oben gibt es eine Kirche von der man einen wunderbaren Blick auf das Tal und die umliegenden Gipfel hat. Doch direkt danach sahen wir ein Stoppschild, das wir vielleicht ausnahmsweise nicht hätten ignorieren sollen. Die Straße war wegen eines Felssturzes komplett gesperrt und wir standen vor einem verschlossenen Tor. Umtragen schwierig. Zum Glück ging Tabea vor und fragte einen der Bauarbeiter, ob wir durchkönnten. Und tatsächlich: Er schloss uns das Tor auf, begleitete uns an der Gefahrenstelle vorbei und ließ uns auf der anderen Seite wieder raus. Grazie! Wir mussten also nicht den ganzen Weg zurück und einen üblen Umweg fahren.
Nach der Abfahrt wollten wir eigentlich durch die berühmte Schlucht Serrai di Sottoguda fahren. Doch auch diese war leider immer noch gesperrt — eine Folge des verheerenden Unwetters “Vaia” von 2018. Also mussten wir auf die Hauptstraße ausweichen. Nach einer kritischen Passage durch eine lange Galerie, die Galleria Malga Ciapela, erreichten wir unser Ziel.
Wir standen am Camping Malga Ciapela Marmolada. Und das ist ein ganz wunderbarer Platz. Man steht direkt unterhalb der majestätischen Marmolada — ein unglaublicher Anblick. Da es kein richtiges Restaurant am Platz gab, kochten wir selbst, mit den wunderbaren Fertiggerichten von der Andersdorfer Mühle, die wir auf Reisen immer wieder gerne essen. Wir ließen den Abend an diesem herrlichen Ort am Fuße der “Königin der Dolomiten” ausklingen.
Auf legendären Straßen
Etappe 11: Fedaia, Pordoi, Campolongo – Die große Dolomiten-Runde
Fakten-Box:
- Datum: 12. Juni 2025
- Strecke: Malga Ciapela – Passo Fedaia – Passo Pordoi – Passo Campolongo – Corvara
- Distanz: ca. 55 km
- Höhenmeter bergauf: ca. 2.100 m
Ja, und dann stand er an. Der Tag der Tage, der mit den höchsten und schwierigsten Pässen. Der Anstieg zum Passo Fedaia ist einfach hart. Man fährt eine endlose, gerade Straße hoch, die einfach nur steil ist. Wenn dann endlich die Serpentinen erreicht sind, wird es überraschenderweise leichter. Oben angekommen, war es ein unbeschreiblich schönes Gefühl. Wir trafen eine Gruppe Rennrad-Touristen mit einem Begleitfahrzeug, die an einer Verpflegungsstation Cola und Snacks bekamen. Wir fühlten uns daneben ziemlich gut, nachdem wir den Pass komplett mit unserem schweren Reisegepäck bezwungen hatten.
Wir folgten der kleinen südlichen Straße um den Lago di Fedaia. Nach einer kurzen Pause am Rifugio Fedaia, bei der Tabea noch einen Abstecher zu einem Schneefeld machte, legten wir eine längere Rast am Rifugio Marmolada E. Castiglioni ein. Der Blick auf die Marmolada ist von dort wunderschön, auch wenn man leider sieht, wie wenig vom Gletscher noch übrig ist.
Es folgte eine grandiose Abfahrt nach Canazei, wo wir in einem kleinen Restaurant einen schnellen Espresso tranken. Und dann ging es direkt in den nächsten Anstieg, auf die Straße zum Passo Pordoi. Hier merkte man sofort, dass man auf der Sellaronda ist: Der Verkehr nahm deutlich zu. Autos, Wohnmobile, Rennradfahrer und unzählige Motorradfahrer teilten sich die Straße, was manchmal etwas unangenehm war.
Oben auf dem Passo Pordoi, dem höchsten Punkt unserer gesamten Reise (2239 m), war das Ankommen sensationell. Wir teilten uns den Gipfel mit vielen anderen Radfahrern, Motorradfahrern und Touristen, die mit Reisebussen hochkamen. Im Ristorante Bar Maria haben wir sehr schön zu Mittag gegessen. Die Abfahrt nach Arabba war wunderschön, wir mussten immer wieder für Fotos anhalten und filmten uns gegenseitig. Das Highlight war eine Begegnung mit einem Fuchs, der gerade eine Schlange gefangen hatte.
In Arabba füllten wir nur kurz die Flaschen und nahmen direkt den nächsten Pass in Angriff, den Passo Campolongo, der erstaunlich schnell erreicht war. Nach einer kurzen Pause ging es in die finale Abfahrt. Und kurz nach Crepaz stellte ich fest: Die Bremsleistung lässt nach und es klingt ziemlich metallisch. Tatsächlich, ich hatte es geschafft, auf dieser Reise meine Bremsbeläge komplett auf Null zu fahren.
Also rollte ich das letzte Stück sehr vorsichtig hinunter nach Corvara in Alta Badia. Und Alta Badia kennen wir als Kinder der 90er natürlich nicht nur von Skirennläufer Alberto Tomba, sondern auch von dem legendären Video von Günther & Hindrich.
Den kleinen Campingplatz, Camping Colfosco, hatte ich mir vorher schon rausgesucht. Ein sehr, sehr schöner Platz mit einer tollen Zeltwiese. Auf Empfehlung des Betreibers waren wir am Abend in der Pizzeria Ristorante Fornella — eine sehr gute Empfehlung, wir haben dort herrlich gegessen. So endete ein unglaublicher Radtag, am Fuße des Passo Gardena.
Abschied von der Sellaronda
Etappe 12: Über das Grödner Joch nach Brixen
Fakten-Box:
- Datum: 13. Juni 2025
- Strecke: Corvara – Passo Gardena – Selva – Brixen
- Distanz: ca. 60 km
- Höhenmeter bergauf: ca. 1.200 m
- Höhenmeter bergab: ca. 2.200 m
Ja, und dann kam natürlich noch der Passo Gardena (Grödner Joch). Der durfte nicht fehlen. Der Anstieg ist sehr schön, aber auch sehr anstrengend, nicht nur wegen der Steigung, sondern auch wegen des Verkehrs. Gleich mehrere Porsche-Clubs, unzählige Motorradfahrer und Rennradfahrer waren unterwegs. Der touristische Druck in dieser Region ist leider sehr hoch, was die Freude etwas trübt. Wir kehrten oben in einer Hütte ein, genossen ein schönes zweites Frühstück und starteten dann in die Abfahrt.
Weil die Hauptstraße so voll war, bogen wir kurz nach der Passhöhe auf eine kleine Ausweichstrecke ab. Der Anfang war noch sehr schön, aber danach wurde es absurd steil und schotterig. So schön die Wiesen und Wälder waren, es war schon ein bisschen riskant. Bei Plan de Gralba sind wir deshalb wieder auf die Hauptstraße eingebogen und nach Sëlva (Wolkenstein) gerollt.
Eine ganz wunderbare Entdeckung war dann der Radweg auf der alten Grödner Bahnstrecke. Er führt verkehrsberuhigt talabwärts, teilweise durch einen alten Eisenbahntunnel — wunderschön. Durch Urtijëi (St. Ulrich) sind wir eigentlich nur durchgerast, und dann kam die wirkliche Abfahrt ins Eisacktal. Ich habe es einfach laufen lassen, die kilometerlange Abfahrt genossen und ein Stück gejodelt, weil es einfach so geil war.
Unten in Waidbruck (Ponte Gardena) angekommen, traf uns der Hitzeschlag: Waren es morgens in Corvara noch kühle Temperaturen, gab es hier unten im Tal schwülwarme 35 Grad. Wir fuhren noch ein ganzes Stück auf dem Radweg nach Norden, machten einen Abstecher zum Biotop Schrambacher Lack und erreichten schließlich Brixen (Bressanone).
Bevor es zum Campingplatz ging, machten wir natürlich eine Pause auf dem Domplatz. Der einzige Zeltplatz in der Nähe ist der am Hotel Löwenhof, und wir ergatterten tatsächlich den letzten freien Platz auf der Zeltwiese. Wie wir lernten, liegt der Platz direkt am Radweg München-Venedig, was die hohe Auslastung mit Radtouristen erklärt.
Nach einer kalten Dusche ließen wir den Abend in einem Restaurant ausklingen, das wir von einer früheren Wandertour kannten und lieben: dem Restaurant Traubenwirt. Ein ganz herrlicher vorletzter Abend unseres Fahrradurlaubs.
Das große Finale
Etappe 13: Über den Brenner nach Innsbruck
Fakten-Box:
- Datum: 14. Juni 2025
- Strecke: Brixen – Brenner – Innsbruck
- Distanz: ca. 100 km
- Höhenmeter bergauf: ca. 950 m
Ja, und dann kam unser wirklich letzter richtiger Radreisetag – einer, der eigentlich so nicht geplant war. Ich hatte es nicht geschafft, noch einen der letzten Plätze im Eurocity 88 von Bozen nach München zu ergattern. Also musste eine Ausweichroute her: über Innsbruck und dann mit einer kleinen, feinen Bahnstrecke zurück nach Deutschland.
Von Brixen aus folgten wir dem doch wirklich sehr schönen Radweg Eisacktal (Teil der Radroute München-Venedig) zum Brenner hoch. Man fährt mal über, mal unter der Brennerautobahn, bekommt aber erstaunlich wenig davon mit. Ein wunderschöner Schlenker war der Abschnitt bei Gossensaß, wo der Radweg auf die alte Bahntrasse über Außerpflersch abbiegt. Kurz nachdem wir diesen Anstieg geschafft hatten, machten wir an einer alten, verlassenen Bahnhaltestelle bei Außergiggelberg eine wunderschöne kleine Rast.
Am Brennerpass kam dann tatsächlich wieder der Regen auf. Wir schafften es gerade noch, uns bei einem kleinen Restaurant unterzustellen und den letzten italienischen Espresso dieses Urlaubs zu trinken. Als der Regen aufhörte, begannen wir die Abfahrt auf der Nordflanke. Und hier wurde mir klar: Den Brenner von Norden nach Süden zu fahren kann kein Vergnügen sein. Man fährt sehr lange direkt an der Fernverkehrsstraße im dichten Verkehr — das macht überhaupt keinen Spaß. Wir sind deshalb bei Steinach am Brenner schnell von der Hauptstraße weg und auf einem kleineren Radweg bis Matrei am Brenner gefahren.
In Mühlbachl stand die Entscheidung an: einfach die Straße runterrollen oder noch ein kleiner Umweg? Natürlich machten wir den Umweg. Über Waldfrieden, Pfunds und Ellbögen kamen nochmal ein paar heftige Gegenanstiege zusammen, aber die Strecke war landschaftlich wunderschön. In Patsch hatten wir noch eine sehr schöne Begegnung mit einem Einheimischen, der gerade von einer Trompetenprobe kam. Von dort führt ein fantastischer Radweg über Igls hinunter nach Innsbruck. Diese Abfahrt haben wir natürlich völlig genossen.
Und dann standen wir am Marktplatz in Innsbruck. Wir hatten es geschafft. Zum Abschluss waren wir im Restaurant Mamma Mia essen, wo wir noch zwei andere Radtouristen trafen, die gerade am Beginn ihrer Radreisekarriere standen — ein sehr, sehr schöner Austausch. Danach fuhren wir über die Innbrücke, entlang des Inns und vorbei am spektakulär gelegenen Flughafen zu unserem letzten Zeltplatz, dem Camping Kranebitten.
Zusatzetappe: Die Heimreise
Unsere Rückreise begann am nächsten Tag am Bahnhof Kranebitten. Selbst der kurze Weg dorthin war nochmal ein ordentlicher Anstieg! Von dort brachte uns die Karwendelbahn — eine ganz hervorragende und wunderschöne Bahnstrecke — über Seefeld in Tirol, Scharnitz, Mittenwald und Garmisch-Partenkirchen entspannt nach München.
Da wir keine Schnellverbindungen mehr bekommen konnten, ging es von dort mit dem “Quer durchs Land-Ticket” weiter. Mit mehreren Regionalzügen und Umstiegen in Nürnberg und Hof fuhren wir zurück nach Dresden, wo wir am Abend ankamen und diese wunderbare Reise ihr schönes Ende fand.
Service: Links & Ressourcen zur Tour
Hier findet ihr eine Sammlung nützlicher Links zu den in diesem Bericht erwähnten Routen, Orten und Unterkünften.
Allgemeine Routen-Informationen
- EuroVelo 14 – Waters of Central Europe: Der Fernradweg entlang der Mur.
- Murradweg R2: Einer der beliebtesten Flussradwege Österreichs.
- Kainachtalradweg R14: Regionaler Radweg in der Weststeiermark.
- Lavantradweg R10: Radweg entlang des Flusses Lavant.
- Drauradweg R1: Einer der bekanntesten Radwege Österreichs und Sloweniens.
- Radroute München-Venedig: Der Fernradweg im Eisacktal.
- Karwendelbahn: Die malerische Bahnstrecke von Innsbruck nach Garmisch.
Pässe & Anstiege
- Hebalm: Ein ausgedehnter Anstieg in der Steiermark.
- Griffener Berg: Der Hügelrücken in Kärnten
- Wurzenpass: Die steile Rampe an der Grenze zwischen Österreich und Slowenien.
- Vršič-Pass: Sloweniens höchster Gebirgspass mit seinen berühmten Pflasterkehren.
- Forcella di Pala Barzana: Der “geheime” Pass im Friaul.
- Piancavallo: Ein Klassiker des Giro d’Italia.
- Passo Cibiana: Eine wunderschöne Entdeckung in den Dolomiten.
- Passo Fedaia: Berüchtigt für seine lange, steile Rampe.
- Passo Pordoi: Der höchste Punkt der Reise und Herz der Sellaronda.
- Passo Campolongo: Der “kleinste” der vier Sellaronda-Pässe.
- Passo Gardena (Grödner Joch): Der finale Pass der Sellaronda mit ikonischem Ausblick.
- Brennerpass: Der historische Alpenübergang.
Regionen und Tourismus
- Tourismus Graz: Offizielles Portal der Stadt Graz.
- Steiermark Tourismus: Tourismusportal für die Region.
- Kärnten Werbung: Offizielles Tourismus-Portal für Kärnten.
- Kranjska Gora Tourismus: Offizielles Portal der slowenischen Alpengemeinde.
- Soča-Tal Tourismus: Informationen zur Region des smaragdgrünen Flusses.
- Friaul-Julisch Venetien Tourismus: Das offizielle Portal der Region Friaul.
- Dolomiten UNESCO Welterbe: Informationen zum Welterbe.
- Brixen Tourismus: Portal für die Stadt und Region Brixen.
- Innsbruck Tourismus: Offizielles Portal der Tiroler Landeshauptstadt.
Kulturelle Highlights & Spezifische Orte
- Bundesgestüt Piber: Heimat der weltberühmten Lipizzanerhengste.
- Hundertwasserkirche Bärnbach: Die St. Barbara Kirche, gestaltet von Friedensreich Hundertwasser.
- Schlosshotel Velden: Drehort der Serie “Ein Schloss am Wörthersee”.
- Ruska kapelica: Die russische Kapelle am Vršič-Pass.
- Soča-Quelle (Izvir Soče): Der beeindruckende Ursprung der Soča.
- Lago di Barcis: Der malerische See im Friaul.
- Baita Deona: Unterkunft auf dem Passo Cibiana.
- Serrai di Sottoguda: Informationen zur berühmten Schlucht.
Besuchte Campingplätze und Unterkünfte
- Hebalm Almhaus: erste Unterkunft auf der Hebalm.
- Camping am Wörthersee: Campingplatz in Klagenfurt.
- Natura Eco Camp: Campingplatz in Kranjska Gora.
- Kamp Jelinc: Der familiengeführte Campingplatz im Trenta-Tal.
- Camping Isola di Volpera: Der “Traum-Campingplatz” in der Lagune von Grado.
- Al Vecchio Traghetto “La Tabina”: Der Campingplatz am Fuße der Dolomiten.
- Camping Sarathei: Der Surfer-Campingplatz am Lago di Santa Croce.
- Camping Colfosco: Zeltplatz im Herzen von Alta Badia.
- Camping am Hotel Löwenhof: Der Zeltplatz in Brixen.
- Camping Kranebitten: letzter Zeltplatz in Innsbruck.
P.S. Für die Nerds & Bibliophilen
Dieser Text ist das Ergebnis einer Mensch-Maschine-Kollaboration. Während ich die Kilometer gefressen, die Pizza gegessen und im Zelt geschlafen habe, hat mein persönlicher “Reise-Chronist” im Hintergrund den digitalen Brotkrumen der GPX-Tracks eine Dramaturgie entlockt, in Archiven nach den Namen vergessener Pässe gegraben und die Wegweiser für die digitale Welt (die Links) gesetzt.
Kurz gesagt: Die Anekdoten sind meine, die Archive hat er durchforstet.